Volksplage Tinnitus: Die Ursachen können vielfältig sein, ein häufiger Auslöser ist Lärm. Wer zum Beispiel als Arbeiter, Handwerker oder Musiker über einen längeren Zeitraum in einer besonders lauten Umgebung arbeitet, hat ein hohes Risiko, später einen Tinnitus oder sogar einen Hörverlust zu entwickeln. Das gilt umso mehr, wenn die Person bei ihrer Tätigkeit keinen ausreichenden Hörschutz trägt. Ständiger Lärm beschleunigt die natürliche Abnutzung der Haarzellen im Innenohr.
Nicht nur im Beruf, auch in der Freizeit kann Lärm das Gehör schädigen: Laute Musikkonzerte, Gartenarbeit mit Kettensäge oder Basteln an Motorrädern sind nur einige Beispiele für mögliche Tinnitus-Ursachen. Es empfiehlt sich, bei hohen Geräuschpegeln immer Gehörschutz zu tragen. Nach dem Aufenthalt in einer besonders lauten Umgebung sollte sich das Gehör baldmöglichst in einem ruhigeren Umfeld erholen dürfen.
Mitunter entsteht ein Tinnitus schon nach einer einzigen, außergewöhnlich hohen Lärmbelastung wie einer Explosion oder einem Knall in der Nähe des Ohres. Man spricht dann von einem Knalltrauma.
Tinnitus kann für die Betroffenen eine große Belastung darstellen. Heilung ist schwierig, manchmal nicht möglich. Aber es gibt Hilfen, mit Tinnitus zu leben, insbesondere Tinnitus-Retraining-Therapien (TRT). Mehr dazu lesen Sie hier.
Die Ursachen für Tinnitus können aber auch Erkrankungen des Ohres oder der Hörbahn sein. Man unterscheidet zwischen einem subjektiven Tinnitus, der nur für den betroffenen Patienten wahrnehmbar ist und sich nicht messen lässt, und dem viel selteneren objektiven Tinnitus, der auf messbare Störgeräusche im Körper zurückzuführen ist.
Objektiver Tinnitus – die Ursachen können z. B. sein:
Strömungsgeräusche durch Gefäßmissbildungen
Hämangiome (Blutschwämme)
Gaumensegelnystagmus (neurologische Fehlfunktion der Kehlkopfmuskulatur)
Bluthochdruck
Tubenfunktionsstörungen (Erkrankung der Eustachischen Röhre bzw. Ohrtrompete)
Tumore im Mittelohr
Mögliche Auslöser eines subjektiven Tinnitus:
Schalltrauma (Lärmtrauma, Knalltrauma)
Stress
Schwerhörigkeit (Hypakusis)
Hörsturz
Entzündungen des Ohrs (z. B. Mittelohrentzündung)
Otosklerose des Mittelohrs
Morbus Menière (Erkrankung des Innenohrs)
Virale und bakterielle Infekte (z. B. Borreliose)
Autoimmunerkrankungen des Innenohrs
Fremdkörper im Gehörgang (z. B. Pfropfen aus Ohrenschmalz)
Akustikusneurinom (Tumor des Hörnerven)
Kraniomandibuläre Dysfunktion (muskuläre Fehlfunktionen der Kiefergelenke, häufig in Folge von Stress)
Funktionsstörungen der Halswirbelsäule
Dekompressionskrankheit bei Tauchern
Schwankungen bei der Menge der Innenohrflüssigkeit (Endolymphe) infolge von Stauungen
Muskuläre Ursachen (Myofasziales Syndrom)
Herz-Kreislauf-Krankheiten
Stoffwechsel- und Nierenkrankheiten
Erkrankungen des zentralen Nervensystems
Arzneimittel, zum Beispiel hohe Dosen von Acetylsalicylsäure, aber auch bestimmte Antibiotika, Entwässerungstabletten und andere
Giftstoffe, zum Beispiel bestimmte Lösungsmittel und Schwermetalle, aber auch Arsen und Kohlenmonoxid
Schläge auf den Kopf und Schädelverletzungen
Lange ging man davon aus, dass ein subjektiver Tinnitus im Innenohr entsteht. Doch dieser Theorie widerspricht, dass ein Tinnitus auch nach dem Durchtrennen des Hörnervs meist fortbesteht. Zudem zeigen bildgebende Verfahren bei einem Tinnitus Veränderungen der Nervenaktivität in verschiedenen Gehirnarealen: Durch eine gestörte Balance zwischen hemmenden und erregenden Prozessen kommt es in den an der Hörwahrnehmung beteiligten Hirnarealen zu einer Aktivierung der Nervenzellen, ohne dass eine tatsächliche Geräuschquelle vorhanden ist. Insofern lässt sich der subjektive Tinnitus mit der Entstehung von Phantomschmerzen nach der Amputation von Gliedmaßen vergleichen. Ähnlich wie der Phantomschmerz wird der Tinnitus in den meisten Fällen durch eine Schädigung ausgelöst, zum Beispiel durch ein Knalltrauma. Die zur Wahrnehmung des Hörgeräusches führende Ursache liegt aber im Gehirn.
Bei der Verarbeitung der Höreindrücke wirken Ohr und Gehirn auf komplexe Weise zusammen: Die Schallwellen gelangen über Gehörgang, Trommelfell und Mittelohr zum Innenohr. Dort, in der Hörschnecke, wandeln Hörsinneszellen die physikalischen Reize in elektrische Signale um, die über den Hörnerv zum Hörzentrum im Gehirn (primäre Hörrinde) weitergeleitet werden. Zusammen mit anderen Hirnbereichen entschlüsseln die zuständigen Nervennetzwerke die Höreindrücke und ordnen sie ein. Überflüssige Reize werden dabei normalerweise herausgefiltert.
Schon kleinste Störungen im Hörsystem, zum Beispiel an den Hörsinneszellen, können diese ausgeklügelte Verkettung der Verarbeitungsschritte so durcheinanderbringen, dass sich Höreindrücke verselbstständigen und unabhängig von äußeren Reizen im Gehirn festsetzen. Die an der Hörverarbeitung beteiligten Nervenzellen reagieren dabei zum Teil überaktiv, um die durch die ursprüngliche Störung entstandene Hörminderung auszugleichen. Diese Überaktivität bleibt bei manchen Betroffenen selbst dann bestehen, wenn die Störung behoben ist: Ein subjektiver Tinnitus entsteht.
Selten werden Sinnes- oder Nervenzellen auch spontan aktiv und liefern dem Gehirn falsche Geräuschinformationen, obwohl das Gehör intakt ist. Auch diese Fehlinformation kann bei der Entwicklung eines subjektiven Tinnitus die Ursache sein.
Die Sinneszellen sind in der Hörschnecke des Innenohrs so angeordnet, dass die Zellen im vorderen Bereich für die Wahrnehmung hoher Frequenzen zuständig sind und die im hinteren Bereich für tiefere Töne. Diese spezielle Anordnung wird als tonotoper Aufbau bezeichnet. Eine Schädigung der Sinneszellen kann die Ursache für einen Tinnitus sein. Sie beeinträchtigt das Hörvermögen in dem Frequenzbereich, für den die betroffenen Zellen zuständig sind. Die jeweiligen Sinneszellen leiten dann schwächere Signale aus dem Innenohr an die primäre Hörrinde im Gehirn weiter. Der tonotope Aufbau setzt sich in der gesamten Hörbahn fort, bis zur primären Hörrinde: Auch dort sind die Nervenzellen für die verschiedenen Frequenzbereiche angeordnet.
Bei einer Schädigung der Sinneszellen gelangen die ungewohnt schwachen Signale aus dem Innenohr an die für den betroffenen Frequenzbereich zuständigen Nervenzellen der primären Hörrinde. Das Gehirn reagiert auf diese Störung, indem es die Verbindungen zwischen den betroffenen Nervenzellen neu verschaltet. Kommt es bei dieser Reorganisation zu Fehlern, die die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen beeinträchtigt, reagieren die betroffenen Nervenzellen mit einer chronischen Überaktivität. Für den Patienten macht sich das als subjektiver Tinnitus bemerkbar.
Auch die Psyche spielt bei den Ursachen von Tinnitus eine wichtige Rolle: Was wir hören, löst Gefühle aus – und umgekehrt beeinflusst unsere Stimmung, wie wir Töne und Geräusche wahrnehmen. Wie stark ein Tinnitus das Leben des betroffenen Patienten beeinträchtigt, hängt maßgeblich von seiner emotionalen Bewertung des Ohrgeräusches ab: Ängste, Nervosität und Stress können die Entstehung von Tinnitus fördern und die Wahrnehmung des Ohrgeräusches verstärken. Patienten berichten oft, dass der Tinnitus erstmals in einer psychischen Belastungssituation auftrat, zum Beispiel bei Dauerstress oder einem Burn-out. Insofern zählt zu den Tinnitus-Ursachen auch Stress.
Stress verstärkt zudem im Krankheitsverlauf die subjektive Belastung durch den Tinnitus massiv. Häufig leiden Tinnitus-Patienten unter Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und depressiven Syndromen. Mithilfe psychologischer Fragebögen können Spezialisten diese Beeinträchtigungen erfassen und den Schweregrad des Tinnitus bestimmen.
Ein Tinnitus kann die Betroffenen in nahezu allen Lebensbereichen beeinträchtigen, bis hin zu einer kompletten Arbeitsunfähigkeit. Viele Tinnitus-Patienten ziehen sich ganz aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Ihr Ohrgeräusch macht es ihnen schwer, sich zu entspannen. Sie reagieren zunehmend gereizt und durch den Tinnitus fällt es ihnen schwer, Gesprächen zu folgen. Das kann Patienten beeinträchtigen, in ihrem Umfeld Unterstützung zu finden oder neue soziale Kontakte zu etablieren, die eine stabilisierende Funktion für sie haben könnten.
Wegen dieser weitreichenden Beeinträchtigungen für die Betroffenen sind eine umfassende Behandlung und Beratung durch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt und einen Hörakustiker besonders wichtig. Tinnitus-Patienten erfahren so am besten, wie sich ihr Leiden behandeln lässt und welche Hilfsmittel dabei helfen.